Emira Mulalić
Emira war fünf Jahre alt, als sie mit ihrer Familie ins Konzentrationslager Trnopolje deportiert wurde. Sie stand neben ihrem Vater, als ihr in den Kopf geschossen wurde. Sie verblutete in den Armen ihrer Mutter. Trnopolje war ein unkonventionelles Konzentrationslager: Es war eigentlich ein ganzes Dorf, dessen Gebäude als KZs genutzt wurden. Emiras Vater begrub ihre Leiche neben der Moschee in Trnopolje. Nach dem Genozid lebte die Familie in den USA. Als er Jahre später von den USA nach Bosnien reiste, um einen Grabstein für seine fünfjährige Tochter zu errichten, sah ihr Vater, dass ihr Grab nicht mehr existiert und ihre Leiche verschwunden ist. Wie viele Familien kann Emiras Familie den Mord nur schwer verarbeiten. “Wir hoffen immer darauf und werden immer in der Überzeugung leben, dass sie hier irgendwo ist (noch am Leben ist).”, sagte ihr weinender Vater lokalen Medien.
Jovan und Zdenka Radočaj
Jovan war der einzige Serbe, der in Prijedor ermordet wurde. Zdenka war seine Frau und ethnische Kroatin. Beide waren gegen den Faschismus serbischer und kroatischer Nationalisten, und unterstützten das unabhängige Bosnien. Als serbische Truppen sie zuhause überfielen um sie zu deportieren, flehte Zdenka um Jovans Leben. Er wurde ins Konzentrationslager Keraterm verschleppt. Dort wurde er als “Verräter”, “kein echter Serbe” erniedrigt und gefoltert. Schließlich wurde er zu Tode geschlagen. Danach kam der Totendienst um seine Leiche zu nehmen. Der Sanitäter schrieb, Jovan wäre “eines natürlichen Todes gestorben”. So erging es den meisten in KZs ermordeten Menschen.
Zdenka wird bis heute vermisst. Da ihr und Jovans Haus verbrannt wurde, gehen einige Nachbarn davon aus, dass sie dort lebend verbrannte.
Den Mord an Jovan gestand ein serbischer Kriegsverbrecher, P.B. Für dieses und viele zusätzliche Verbrechen wurde er vom Internationalen Tribunal in Den Haag zu nur acht Jahren Haft verurteilt. Nachdem er ⅔ seiner Haft abgesessen hatte, wurde er bereits 2008 freigelassen.
Dr. Željko Sikora
Dr. Željko Sikora war ein Arzt mit tschechischen Wurzeln. Er war sehr beliebt in der Stadt, brachte als Gynäkologe Babies auf die Welt. Željko war so ein herzensguter Mensch, “er ging sogar Ameisen aus dem Weg”, erinnert sich eine Freundin. Doch mit Anfang des Angriffskrieges gegen Bosnien verbreiteten Medien serbischer Nationalisten Propaganda gegen ihn. Sie beschuldigten ihn, er hätte männliche serbische Babies kastriert. Solch ein Verbrechen passierte gar nicht. Und bis heute gibt es keinen einzigen Beweis dafür. Doch Dr. Zeljko wurde in das KZ Keraterm verschleppt. Tagelang wurde er brutal gefoltert, bis er an den Qualen der Folter starb.
Familie Tatarević
Hava Tatarević lebte mit ihrer Familie ein friedliches, einfaches Leben in Prijedor. Als Bosniaken (bosnische Muslime) gezwungen wurden, sich mit weißen Bändern an den Oberarmen zu markieren, taten das auch die Tatarevićs. Am 23. Juli 1992, während die Familie beim Mittagessen zusammensaß, stürmten serbische Truppen ihr zuhause und verschleppten ihren Ehemann Muharem und ihre sechs Söhne. Das war das letzte Mal, dass Hava ihre Familie sah – bis sie ihre Überreste, erst jahrzehnte später, im Massengrab Tomašica fand. Tomašica ist das größte Massengrab Bosniens: 6000 Quadratmeter groß mit rund 1000 Leichen.
“Meine sechs Söhne sind weg, mein Mann, zwei Schwestern, ihre Kinder, Enkelkinder… Meine ganze Familie ist weg”, sagte sie Radio Sarajevo.
Hava schaut jeden Abend Nachrichten. Sie befürchtet einen erneuten Genozid, da serbische Nationalisten noch immer davon träumen und die Situation in Bosnien deshalb so gefährlich ist. “Was soll ich machen? Ich kann nicht aus dieser Haut in eine andere”, sagt Hava.
Pfarrer Tomislav Matanović und seine Eltern
Der junge Pfarrer Tomislav Matanović und seine Eltern wurden von der Polizei des selbsternannten Parastaates “Srbische Republik Bosnien” verschleppt und galten jahrelang als vermisst.
Ihre Überreste wurden in einem Brunnen gefunden. Wir gedenken Tomislav, seinem Vater Josip Matanović und seiner Mutter Božena Matanović geb. Chaloupka (sie hatte tschechiche Wurzeln).
Wir gedenken auch Menschen, von denen wir nichtmal Fotos haben
Edin Bešić war ein junger Teenager mit Behinderung. Da er nicht gehen konnte, trug ihn seine Familie in einer Decke aus dem Haus, in einem Versuch, sich “zu ergeben” und zu überleben. Doch serbische Truppen entrissen ihn seiner Mutter. Bis heute wurden die Überreste des 16jährigen nicht gefunden.
Velid Softić war zwei Monate alt, als er ermordet wurde. Baby Velid gilt als jüngstes Opfer in Prijedor.
Zlata Krkić war das älteste Opfer in Prijedor – sie war 95 Jahre alt.
Wir erinnern an diese Menschen, und an Tausende mehr!